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Making of mc²

 

September 2019. Wir sitzen im Lieferwagen und sind auf dem Weg zur IMA in Göppingen. Die Messevorbereitungen haben wir im Eiltempo erledigt - die Rückkehr aus unserem Urlaub ist gerade mal zwei Wochen her. Und dann hatte die Druckerei noch auf Seite 3 unseres neuen Kataloges 2020/21 einen ganzseitigen Druckfehler produziert - dafür mussten wir noch auf die Schnelle eine Lösung finden. Endlich haben wir Zeit, in Ruhe über ein paar Dinge zu reden. Und dann rückt Kersten quasi nebenbei damit raus: Er hat mit der Entwicklung einer neuen Zentrale angefangen...

 
 

WIE BITTE? EINE NEUE ZENTRALE?

 

So eine Digitalzentrale ist ein richtig großes Ding. Die Entwicklung bindet enorm viel Zeit und die Einrichtkosten sind nicht ganz ohne. Und auch ich werde viel Zeit damit verbringen müssen, wenn mein Part (Anleitung, Homepage, Presseinfos, Anzeigen, Messepräsentation) am Ende der Projektentwicklung ansteht. Wir haben doch gerade erst (sprich 2016) die alte MasterControl durch die neue RedBox ersetzt. Was soll der Quatsch mit einer neuen Zentrale? Trotz spätsommerlichen Wetters sinkt die (gefühlte) Temperatur in unserem Lieferwagen auf den Gefrierpunkt…  

 

 

Microsoft ist Schuld

Wer jetzt an die große Weltverschwörung denkt, liegt daneben. Aber zurück zu unserer denkwürdigen Fahrt nach Göppingen...

Etliche Kilometer weiter südlich bin ich bereit, mir die Argumente für eine neue Zentrale anzuhören. Kersten macht mir klar, dass unser technischen Support immer wieder Stunden damit beschäftigt ist, sich um die USB-Schnittstelle der RedBox und der MasterControl zu kümmern. Kaum gibt´s von Microsoft ein Windows-Update, schon klappt´s bei vielen Modellbahnern nicht mehr mit der Verbindung zwischen PC und RedBox. Das nervt unsere Technik und unsere Kunden.

 

Der Status Quo

Die RedBox, die wir seit 2016 anbieten, ist im Wesentlichen eine MasterControl ohne Drehknopf, Tasten und Display. Mehr Schnittstellen und ein leistungsfähigerer Booster wären zwar „nice to have“, jedoch zum angestrebten Preis nicht zu realisieren gewesen. Die Lösung für RedBox und MasterControl lautet daher: Adapter, Zusatzgeräte und eine App für die Verwendung von mobilen Endgeräten als Steuergeräte. Das funktioniert, erfordert jedoch zum Teil erhebliche Unterstützung für unsere Modellbahner, die das zum Laufen kriegen müssen.

MasterControl

Die "alte" MasterControl

war von 2005 bis 2016 lieferbar. Sie ist eine typisches Kind der frühen 2000er Jahre: mit Drehknopf für die Geschwindigkeit der Loks und Tasten zum Schalten der Lokfunktionen und der Weichen. Auf der Rückseite sind Anschlüsse für das EasyNet (über das die Kommunikation mit externen Steuergeräten läuft), den s88-Bus (natürlich mit der damals üblichen 6-poligen Stiftleiste), zwei Anschlüsse für den PC (1 x USB und 1 x seriell) und zwei Anschlüsse für externe Booster (1 x Fahr-Booster, 1 x Bremsstrecken-Booster). Einen Booster hat die MasterControl nicht an Bord.

Mittlerweile haben wir etliche der ersten Modelle noch einmal wiedergesehen, vor allem um verschlissene Drehimpulsgeber am Drehknopf auszutauschen. Da die MasterControl mit der gleichen Software läuft wie der Nachfolger RedBox, bleibt sie - zumindest im Hinblick auf die Software - aktuell und ist noch in vielen Anlagen im Einsatz.

 

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Die "neuere" RedBox

ist seit Ende 2016 als Ersatz für die MasterControl im Programm. Die Bedien- und Anzeigeelemente wurden aus Kostengründen auf externe Steuergeräte ausgelagert.

Wesentliche Neuerungen sind eine zweite USB-Schnittstelle (an Stelle der seriellen Schnittstelle), das integrierte XpressNet-Interface und die Ausführung der s88-Schnittstelle in der Version S88-N für Patchkabel. Die beiden Booster-Ausgänge können getrennt zum Fahren und Schalten verwendet werden. Im Gegensatz zur MasterControl gibt es auch Versionen mit integriertem (2,5 A-) Booster.

 
 

Von Grund auf neu

 

Bereits 2018 war die Bühler electronic GmbH (Modellbahnern besser bekannt unter der Marke LS digital) an uns herangetreten. Ziel: Verwendung der Software der RedBox als Grundlage für eine eigene Zentrale. Eine LAN-Schnittstelle sollte noch hinzukommen, das sollte es dann sein. Bei näherer Betrachtung tauchten jedoch Bedenken auf. Wäre es nicht besser, wenn man...?

Während der Intermodellbau 2019 beschlossen die beiden Firmeninhaber auf dem Gang der Messehalle eine Kurskorrektur. Neues Ziel: gemeinsame Entwicklung einer neuen Zentrale. Und als dann auch Andreas Kretzer mitmachen wollte, der bereits die Software für unsere MasterControl und die RedBox maßgeblich entwickelt hatte, gab es kein Halten mehr…

 

Die perfekte Zentrale

Wie die perfekte Zentrale aussieht und funktioniert, darüber können Modellbahner wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit diskutieren (oder streiten). Die drei an der Entwicklung der neuen Digitalzentrale Beteiligten hatten sich im Sommer 2019 auf die Grundsätze geeinigt:

  1. "All-in-one": Schnittstellen für alle gängigen Digitalsteuerungen und Datenbusse

  2. "Black Box": keine kostspieligen Taster oder Drehregler zum Ansteuern der Fahrzeug- und Zubehördecoder

  3. "Kein USB": und damit kein Stress mehr mit der Treiber-Software

  4. "100 % Browser-basiert": Nutzung von PC, Tablet und/oder Smartphone für die Konfiguration der Zentrale und das Programmieren der Decoder - ohne zusätzliche Apps

  5. "Volle Power": mit integriertem Booster, der für den Betrieb mit allen Nenngrößen eingestellt werden kann

  6. "Echt bidirektional": mit globalem RailCom-Detektor und integriertem BiDiB-Interface

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Hard- und Software im Test

Das Layout für eine Platine zu erstellen, das dürfte für die Mehrheit der Bevölkerung "Hexenwerk" sein. Mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung geht´s, wie Ingenieure rund um den Globus täglich beweisen. Bis zur serienreifen Version der mc²-Platine waren drei Anläufe nötig - eine Zahl, auf die wir richtig stolz sind. Sie ist nämlich im Vergleich sensationell niedrig!

Weitaus langwieriger ist die Entwicklung der Software. Das, was der Nutzer auf dem Bildschirm oder Display sieht, ist nur ein kleiner Teil dessen, was zu programmieren ist. Fehlerfrei funktionieren soll es ja auch noch und da geht es gegen Ende der Entwicklung nur noch in kleinen Schritten vorwärts - mit der sich ständig wiederholenden Abfolge von "Ändern" und "Testen". Langwierig ist dabei übrigens relativ: Wir ziemlich stolz darauf, dass wir bisher nur gut ein Jahr für die Entwicklung der Software benötigt haben.

 
 

So einfach geht Zentrale

 

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Die „Neue“ habe ich erst kennengelernt, als bereits die erste Hardware-Version im Test war und die Software in groben Zügen stand, also Anfang 2020. Das erste Mal durfte ich mich auf die Frage „Wie findest Du das Gehäuse?“ zum Projekt äußern. Danach sah ich sie häufig in bunten Farben leuchtend oder flackernd auf dem Tisch meines Mannes. Aber wie man mit der mc² (wie sie zwischenzeitlich als Abkürzung für MasterControl 2 getauft worden war) eine Modellbahn steuern soll – ich hatte keine richtige Vorstellung. Und wenn das Entwicklerteam von der „Browser-basierten Steuerung“ schwärmte, war mir klar: DAS ist kompliziert und braucht viele Seiten in der Anleitung.

 

Im November 2020 habe ich dann meine eigene mc² bekommen – zusammen mit einem Netzteil, einem Patchkabel und den freundlichen Worten meines Mannes: „Das wirst Du ja wohl hinkriegen!“ Er hat mir dann noch ein paar Tipps gegeben:

  1. Wie rum ich das Netzteil-Kabel in die mc² stecken muss.
  2. Wo ich eine freie Anschlussbuchse für unser Büro-Intranet finde.
  3. Wie ich die IP-Adresse der Zentrale rausbekomme und was ich damit mache.

Ich hab´s innerhalb einer Minute hingekriegt (vielleicht waren es zwei…). Kompliziert? Ganz bestimmt nicht. Ob meine Test-Konfigurationen und Decodereinstellungen wirklich modellbahn-tauglich sind, sei mal dahingestellt. Aber einfach geht´s auf jeden Fall. Und was die vielen Seiten in der Anleitung anbelangt: Die habe ich mir geschenkt!

 

 
Messe_Willkommen_1005
"wir": Kersten und Cornelia Tams, Inhaber der Tams Elektronik GmbH
"Kersten": Kersten Tams: Geschäftsführer der Tams Elektronik GmbH. Gründsätzlich für alles verantwortlich und zuständig u.a. für die Produkt-Entwicklung.
"ich": Cornelia Tams: „Mädchen für alles außer Löten“ bei der Tams Elektronik GmbH. Zuständig u.a. für Technische Dokumentation und die Homepage der Tams Elektronik.